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Schritte der Früherkennung: hinschauen und handeln

Handlungsleitfaden der Berner Gesundheit: Zwei Anwendungsbeispiele aus der Praxis

Zur Unterstützung der Organisationsentwicklung im Bereich der Früherkennung von Entwicklungsherausforderungen und Kindeswohlgefährdung bietet der Handlungsleitfaden der Berner Gesundheit Unterstützung. Wie die Arbeit damit konkret aussehen kann, zeigen die zwei Praxisbeispiele.

Im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung arbeiten unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Funktionen und Aufgaben wie z.B. Tageseltern, Fachpersonen Betreuung, Lernende, Praktikant:innen und Leitungspersonen.

Damit Belastungen in Familien frühzeitig erkannt und angemessen darauf reagiert werden kann, ist es zentral, dass das Thema Früherkennung von möglichen Kindeswohlgefährdungen in einer Organisation implementiert ist. Der Handlungsleitfaden der Berner Gesundheit «Schritte der Früherkennung – hinschauen und handeln» geht den folgenden Aspekten nach:

  • Klärung der Aufgaben in der Betreuung und der Elternzusammenarbeit: Förderung und Beobachtungen zur Entwicklung der Kinder, Resilienzförderung, Gestaltung der Erziehungspartnerschaft, Gesprächsführung mit Eltern usw.
  • Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter:innen: Wer übernimmt die interne Fallführung, wer ist zuständig für die externe Vernetzung, wer führt Elterngespräche, wer macht allfällige Meldungen an die KESB usw.
  • Festgelegte interne Abläufe und Instrumente:
    Regelmässige Austauschsitzungen, Einsatz von Beobachtungs- und Einschätzungshilfen, kollegiale Coachings, Vorlagen für Kooperationsgespräche mit Eltern usw.

Handlungsleitfaden der Berner Gesundheit

Verschiedene Fragen zum Betrieb, zum Auftrag bezüglich Kind und Eltern, zu Aufgaben und Verantwortung der Leitung sowie des Teams führen durch die Standortbestimmung und geben gleichzeitig Hinweise, was in einem internen Handlungsleitfaden zur Früherkennung von Entwicklungsherausforderungen und Kindeswohlgefährdung berücksichtigt werden sollte.

Durch das Beantworten der Leitfragen können Abläufe definiert, Verantwortlichkeiten geklärt und spezifische Instrumente im Betrieb eingeführt werden. Der Leitfaden ist mit den Vorgaben zur Früherkennung von Kindeswohlgefährdung des Kantonalen Jugendamtes verknüpft.

Betriebliche Implementierung

Für die betriebliche Implementierung haben sich diese sechs Schritte bewährt:

  • Zielsetzung: Was soll im eigenen Betrieb erreicht werden?
  • Analyse: Als Grundlage dient der Leitfaden zur Standortbestimmung „Schritte der Früherkennung, hinsehen und handeln“
  • Handlungsbedarf: Definieren von Massnahmen, Zuständigkeiten, Ressourcenüberprüfung, Umsetzungsplanung
  • Umsetzung der Massnahmen: Abläufe, Instrumente, Schulungen und Lernprozesse
  • Überprüfung: Zielerreichung, Stolpersteine und Widerstände erkennen und verstehen, Leistungen würdigen
  • Anpassung: Schwachstellen verbessern

Jede Organisation hat andere Strukturen und Rahmenbedingungen, deshalb muss auch jeder Implementierungsprozess anders gestaltet werden. Fachpersonen der Berner Gesundheit begleiten Betriebe und Organisationen bei der Erarbeitung eines betriebsspezifischen Handlungsleitfadens. Das Vorgehen und die Form des Leitfadens können dabei individuell und bedürfnisgerecht gestaltet werden.

Wie kann dies in der Praxis aussehen? Zwei Bespiele von Begleitungen durch die Berner Gesundheit

Beispiel Tagesfamilienorganisation (TFO)

Die Geschäftsführerin einer TFO meldet sich bei der Berner Gesundheit, nachdem sie den Kurs Früherkennung von Kindeswohlgefährdung besucht hat. Gemeinsam mit der Tagefamilienkoordinatorin wird das weitere Vorgehen besprochen. In einem Coachingprozess werden die Schritte Zielsetzung, Analyse, Handlungsbedarf und Umsetzung gemeinsam bearbeitet.

Die Zielsetzung wird wie folgt formuliert: „Das Ziel dieses Leitfadens ist es, Klarheit zum Thema Früherkennung und Frühintervention und zum Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung in konkreten Fällen zu schaffen. Alle Angestellten erhalten den Leitfaden ausgehändigt, um sich im Betreuungsalltag daran zu orientieren. Kinder und Familien mit Belastungen werden erkannt und erhalten möglichst früh Unterstützung. Das Wohl der Kinder wird gewahrt.“

Für die Analyse wurde ein Workshop mit den Tagesmüttern durchgeführt. Sie erhielten vorab Informationen zur Früherkennung und Frühintervention. Anschliessend wurde gemeinsam die Rolle und Aufgabe der Tagesfamilie analysiert, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung der Erziehungspartnerschaft. Anhand von Fallbeispielen wurde der Handlungsbedarf geklärt.

Für die Umsetzung erarbeitete die Koordinatorin auf dieser Grundlage ein Dokument als Leitfaden für alle Tagesfamilien. Darin wurden die Ziele, die Rolle der Tagesfamilien, die Bedeutung der Früherkennung im Betreuungsalltag, das Vorgehen bei wahrgenommenen Belastungen in Familien bis hin zur Gefährdungsmeldung durch die Leitung festgehalten.

In einem zweiten Workshop wurde dieser betriebseigene Leitfaden vorgestellt und für die Umsetzung in der Praxis besprochen.

Im dritten Schritt des Leitfadens, der internen Fallbesprechung, wurde anhand der beiden Achsen Belastungen in Familien (Risikofaktoren) und Ressourcen von Familien (Schutzfaktoren) die Einschätzung von Gefährdungssituationen und der Förderung von Resilienz diskutiert.


Dieser Prozess von der ersten Anfrage bis zum zweiten Workshop dauerte ca. 1.5 Jahre. Die weiteren Schritte der Überprüfung und Anpassung wurden von der TFO selbst weitergeführt und wiederholen sich in regelmässigen Abständen.

Beispiel Kindertagesstätte

Zwei Kitas wollen gemeinsam einen betriebseigenen Handlungsleitfaden erarbeiten. Die drei Leitungspersonen trafen sich für eine Prozessberatung innerhalb eines Jahr fünf Mal. Sie formulierten die Zielsetzung, führten eine Analyse durch und klärten den Handlungsbedarf.

Dabei brachten sie Themen ein, wie zum Beispiel Haltungsfragen gegenüber Eltern, Führen von Elterngesprächen sowie Fragen zur Praxis von Beobachtungen und Datenschutz.

Nach dem 4. Treffen haben sie ein Ablaufschema erstellt, das ihnen Klarheit über die internen Abläufe, Zuständigkeiten sowie die nächsten Schritte gibt. Sie erarbeiteten Instrumente zur gezielten Beobachtung, adaptierten ein Verfahren zum kollegialen Coaching und passten ein Raster für Kooperationsgespräche mit Eltern an ihre Rahmenbedingungen an.

Das 5. Treffen diente der Vorbereitung der Schulung der Mitarbeitenden. Anhand von Rollenspielen wurde der Alltag in der Kita mit acht Kindern aus vier Familien, zwei Gruppenleitenden, zwei Lernenden, einer Springerin, einem Praktikanten und einer Kita-Leiterin simuliert. Im Wechsel von fachlichen Inputs, Spielsequenzen und der Anwendung der Instrumente konnten die verschiedenen Rollen doppelt reflektiert werden: einerseits aus der Perspektive und dem Erleben im Rollenspiel und andererseits die Bedeutung der verschiedenen Funktionen (Lernende, Gruppenleitende, Kita-Leitung usw.).

Fazit

Kindesschutz ist eine Teamaufgabe und beginnt bei jeder einzelnen Person, die mit Kindern und ihren Familien arbeitet, bis hin zur Leitungsebene. Entscheidend ist, dass alle ihren Auftrag, ihre Aufgaben und ihre Verantwortung (aber auch die Grenzen) kennen, dass klare Abläufe definiert sind und sie wissen, dass sie nicht alleine verantwortlich sind.

Hinzuschauen und Handeln gelingt dann gut, wenn man sich sicher fühlt, sei es als Lernende, als Betreuungsperson in einer Tagesfamilie, als Gruppenleiter:in oder Führungsverantwortliche:r. Damit dies den Organisationen im Frühbereich möglichst gut gelingt, stehen verschiedene Unterstützungsangebote zur Verfügung:

Gemeinsam für einen starken Kinderschutz im Kanton Bern!

Angebot der Berner Gesundheit

Als Stiftung mit kantonalem Auftrag bietet die Berner Gesundheit im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention Beratung, Prozessbegleitung und Schulung für die betriebliche Umsetzung zum Thema Früherkennung an.

Kontakt

Anna-Regula Oberteufer, Fachmitarbeiterin Gesundheitsförderung und Prävention, Telefon: 031 370 70 80, E-Mail: praevention@beges.ch

In Bern, Biel, Burgdorf und Thun können zudem Fachbücher und Medien kostenlos in der Mediothek ausgeliehen werden.

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